Vor Kurzem haben wir auf unserem Instagramaccount @arztinhessen gefragt, ob du dich eher in der Stadt oder auf dem Land niederlassen würdest. Das Ergebnis hat uns positiv überrascht, denn es ist sehr ausgeglichen: 53 % wünschen sich eine Praxis in der Stadt und 47 % auf dem Dorf. Dennoch halten sich einige Klischees über das Leben und Praktizieren auf dem Land hartnäckig und machen Studierenden Bauchschmerzen. Einige davon schauen wir uns jetzt genauer an – und klären auf, ob sie wirklich stimmen!
Klischee 1: Auf dem Land wohnen ist langweilig und kompliziert!
„Auf dem Land ist es mir zu öde und zu ruhig“, „Die Logistik mit Kindern ist in der Stadt einfacher“, „Ich hasse es, an ein Auto gebunden zu sein“. Diese und ähnliche Antworten haben wir auf die Frage bekommen, warum Studierende sich nicht auf dem Land niederlassen möchten. Es stimmt, ein Leben in der Stadt ist in mancherlei Hinsicht einfacher zu organisieren, weil die Entfernungen geringer sind. Aber das muss ja nicht bedeuten, dass man nicht auf dem Land praktizieren kann. Die Residenzpflicht für Ärzte wurde schließlich schon 2012 aufgehoben. Im Klartext heißt das: Wohnort und Standort der Praxis müssen nicht mehr identisch sein, es müssen lediglich die vorgeschriebenen Sprechzeiten am Praxisort abgehalten werden.
Außer einer gewissen Anfahrtszeit spricht also eigentlich nichts dagegen, in der Stadt zu wohnen und auf dem Land zu praktizieren. Und Hand aufs Herz: In der Stadt würdest du vermutlich auch nicht in Sichtweite deiner Praxis wohnen (wollen) und hättest dort ebenfalls einen Zeitverlust durch den Arbeitsweg, oder? Bei der Suche nach einem passenden Praxisstandort auf dem Land kannst du eine verkehrsgünstige Lage oder die Anbindung an die (Regional-)Bahn durchaus als Kriterium mit einbeziehen. Und da du die Sprechzeiten selbst bestimmt, zwingt dich auch niemand, sehr früh aufzustehen, damit du um 7 Uhr in der Praxis sein kannst. Vielleicht bietest du stattdessen Sprechstunden zur Mittagszeit oder am späteren Nachmittag an? Berufstätige werden dieses Angebot sicherlich gern wahrnehmen!
Klischee 2: Landärzte machen sich gegenseitig Konkurrenz und nehmen sich Patienten weg!
Einige haben in unserer Umfrage die Sorge geäußert, eine Praxis auf dem Land würde sich finanziell nicht lohnen. Diese Angst können wir dir nehmen. Schon seit einigen Jahren gibt es in ländlichen Regionen weniger Arztpraxen, als eigentlich notwendig wären. Zudem gehen in den nächsten Jahren etliche Hausärzte in den Ruhestand und suchen händeringend Nachfolger. Du wirst in deiner Praxis auf dem Land also mit sehr großer Wahrscheinlichkeit nicht zu wenig Patienten haben. Bedenke auch, dass längst nicht jede Ortschaft über eine Arztpraxis verfügt und du auch Patienten aus Nachbargemeinden betreuen kannst (und wirst!). Selbst wenn es in einem Dorf mehr als einen Arzt gibt, musst du dir keine Sorgen machen. Damit sich nicht plötzlich viel zu viele Ärzte in einem Gebiet ansiedeln, ist die Zahl an Arztsitzen in den meisten Region begrenzt. Tatsächlich ist der Konkurrenzdruck zwischen Ärzten gleicher Fachrichtungen in urbanen Gebieten deutlich höher – schließlich ist eine andere Praxis hier für den Patienten oft nur einen kurzen Fußmarsch oder wenige Haltestellen entfernt.
Klischee 3: Auf dem Land sieht man als Hausarzt immer nur die gleichen Krankheiten!
Nein, umgekehrt wird ein Schuh draus! Patienten in ländlichen Gegenden konsultieren bei verschiedensten Beschwerden in der Regel erstmal den Hausarzt. Das hat einen einfachen Grund: Der nächste Facharzt ist oft deutlich weiter entfernt, vielleicht sogar eine längere Autofahrt. Neben Erkältungskrankheiten, Bluthochdruck und Schürfwunden wirst du deshalb sicherlich in der Landarztpraxis auch mit selteneren Krankheitsbildern konfrontiert. Vielleicht stellst du in diesen Fällen sogar nicht nur die Erstdiagnose, sondern übernimmst in Abstimmung mit einem Facharzt Teile der Behandlung oder der langfristigen Betreuung. Außerdem wirst du als Landarzt ganz automatisch auch mit Patienten aller Altersgruppen konfrontiert und behandelst sicherlich auch Kinder und Jugendliche.
Landarztklischees: Hartnäckig, aber oft nicht wahr!
Der Schritt, eine Hausarztpraxis zu eröffnen oder zu übernehmen, will gut überlegt sein. Heutzutage musst du dir aber weder Sorgen um dein finanzielles Auskommen noch die Residenzpflicht machen. Du kannst weiterhin in der Stadt (oder stadtnah) wohnen und in einem ländlicheren Gebiet praktizieren. Das kann sogar Vorteile haben, denn es gibt eine klare räumliche Trennung von Arbeit und Freizeit. Auch fachlich wirst du als Arzt auf dem Land auf jeden Fall gefordert, denn Patienten mit den unterschiedlichsten Beschwerden und Symptomen werden dich als ersten medizinischen Ansprechpartner konsultieren. Dein Grundwissen aus allen Fachbereichen ist also nahezu täglich gefragt – wenn das keine spannende Aussicht ist!
Übrigens: Die KV Hessen unterstützt alle, die sich neu in einer ländlichen Region niederlassen, mit verschiedenen Förderungen. Von Umzugszuschuss bis Honorargarantie sind viele Angebote dabei, die dir den Start in die niedergelassene Tätigkeit erleichtern. Informier dich am besten gleich und lass dir nichts entgehen!